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News vom Marketing-Club Neckar-Alb

Der Kick beim Ziegen melken

MCNA Sommerlounge // Juli 2023

"Es ist eigentlich zu schön, um über Realitäten zu sprechen", ließ sich "Gutsherr" Franz Tress bei der Sommerlounge des Marketing-Clubs Neckar-Alb ein wenig anschieben, bis er dann doch mit kontrolliertem Schwung in Redefluss geriet - über seine Ideen für das vom Bund übernommene "Alte Lager" am ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen, über die Entwicklung dieses "Albguts" sowie über seine Vergangenheit als Nudelfabrikant und die Gegenwart als offiziell dazu ernannter "Tourismus-Held".


Gleich vorweg: Als "beeindruckend, interessant und impulsreich" fasste Moderator Christoph Koppensteiner zusammen, was Tress in freier Improvisation vortrug, während er zwischen dem Publikum an den gedeckten Tischen herumging. Nachdem seine Ehefrau Annegret und Töchterchen Franziska die Club-Mitglieder zur für Hochzeiten und Tagungen umgestalteten "Alten Schmiede" gelotst hatten und diese erfrischt auf ihren Plätzen saßen, nutzte der Patron mit schwäbischem Understatement und erkennbarem Genuss Einwürfe und Fragen dazu, unvermittelt verbale Haken zu schlagen. Und im Kontext von Politik und Wettbewerbern sind damit nicht nur plötzliche Richtungsänderungen gemeint. "Wenn es nicht mehr weitergeht, muss man halt den Stuhl umdrehen", verneinte Tress, einen Plan B für das "Albgut" mit seiner Ausrichtung auf nachhaltige touristische Angebote und regionales Gewerbe in Reserve zu haben. Vielmehr verwies er auf einen Prospekt, den er 2012 vor den über drei Jahre währenden Kaufverhandlungen mit dem Bund erstellen ließ. Demnach habe sich alles wie vorgesehen umsetzen lassen, "wir haben mittlerweile um die 60 Baugesuche durchgebracht." Lediglich, wie Annegret Tress anmerkte, zwei Badeseen fehlten, was aber nur aufgeschoben sei. An Unwägbarkeiten und Hindernissen mangele es trotz aller Planung nicht. "Durch Covid und Putin hab ich viel Geld verloren", verwies Tress auf millionenschwere Investitonen in zwei Hotels und das Nahwärmenetz mitsamt Blockheizkraftwerk.

"Was soll m'r do?", stellte Tress eine für ihn keinesfalls rhetorische Frage in den Raum, die ihm zu Weihnachten 1968 zunächst einmal sein eigener Vater beantwortet hatte: Der brachte seinem damals 18-jährigen Drittältesten eine gebrauchte Ausrüstung zur Nudelherstellung, laut der Verkäuferin "eine Goldgrube". Tress junior, gelernter Kaufmann, arbeitete sich in die Materie ein,  finanzierte die Produktion mit Forstarbeit vor, nutzte günstigen Nachtstrom und stellte die damals gängige Teigrezeptur auf kanadischen Hartweizen um. "Fünf Jahre später bin ich Porsche gefahren", umschrieb Tress das Ergebnis von Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit. Wie wichtig die vorausschauende Wahl der zur Aufgabe passenden Mittel ist, veranschaulichte er in einer neueren Anekdote, in der es wieder um den Stuttgarter Autobauer ging: Eine Manager-Gruppe hatte sich demnach "mit ihren Autobahn-Cayennes" beim Teambuilding abseits der befestigten Wege auf dem Gelände versucht. "Ich hatte einen alten Defender mit Stollenreifen - und keine Probleme", überließ Tress den Rest der Geschichte der Imagination seiner Zuhörerinnen und Zuhörer.  

 

Um "lauter, schneller, weiter" gehe es auf dem "Albgut" ohnehin nicht, packte Tress seine Vorstellung in ein Bild vom großen Nagelbrett: "An das hängt man bei der Ankunft sein Handy und den Revolver. Dann läuft man barfuß über die Wiesen." Mit der Frage Johannes Rollers nach der großen einzigartigen Attraktion auf den in 800 Meter Höhe gelegenen 100 Hektar alberte Tress ein wenig herum und sprach vom Bau einer Arche wegen der schmelzenden Polkappen: "Bislang hat mir aber noch keine Stimme befohlen, Bäume zu fällen." Eine riesige Seilbahn sei ebenfalls denkbar, "den Kick wollen die Leute. Aber man kann sie auch Ziegen melken lassen." Notwendigkeiten wie die frisch fertiggestellte Toilettenanlage, Wasserleitungen für 2 Millionen Euro oder die Installation von 3 Kilometern Dachrinnen gingen ohnehin vor.    

 

"Angst habe ich keine, vor wem auch?", bekräftigte Franz Tress, mit dem "Albgut" etwas schaffen zu können, "was über mein Leben hinaus Bedeutung hat". Dann ging es nach dem Willen der designierten Nachfolgerin Franziska Tress, die nach der Sprachregelung "noch auf eine Party" wollte und die Familie zog sich zurück. Als sich später bei anbrechender Dunkelheit unbemerkt das Haupttor schloss, während die Gesellschaft nichts Böses ahnend den Gitarrenklängen Martin "Mørt" Baurs lauschte, hätte die Nacht noch Adrenalinschübe bringen können. Der Alb-Kannibalen-Horror am Lost Place blieb aber aus - weil das Catering-Team von Wolfgang Gusinde für volle Bäuche gesorgt hatte und das riesige Areal zu viele Möglichkeiten bietet, als dass es gar keinen Ausweg gibt. Wenn es nicht mehr weitergeht, muss man halt das Auto umdrehen.