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News vom Marketing-Club Neckar-Alb

Tress

Tress – 50 Jahre Tress und wie man auch zukünftig im deutschen Lebensmittelmarkt überlebt

MCNA vor Ort // Januar 2022

Zum Trinken war's zu dick

Wer Spätzle kochen will, muss ein paar Eierschalen zerbrechen - oder eine Packung von Tress kaufen. Letzteres war zumindest im Januar im Alten Lager zu hören, wo der Münsinger Nudelhersteller die physisch präsenten Gourmets vom Marketing-Club Neckar-Alb zur hybriden Veranstaltung willkommen hieß.

Dabei wolle sein Unternehmen eigentlich schon länger etwas unabhängiger von den Eiernudeln - rund 90 Prozent des Produktionsvolumens - werden, erklärte Gastgeber Markus Tress sein Kerngeschäft zum "schrumpfenden Markt". Am Vegan-Trend machte er diese Perspektive weniger fest als an steigenden Kosten für die Hühnerfrüchte: Das seit Jahresbeginn geltende Verbot des Kükentötens müsse den Preis zwangsläufig um 30 Prozent anheben.  In den Produktionskosten von Spätzle machten die Eier bereits jetzt die Hälfte aus. Pro Tag schlage die Firma Tress eine Viertelmillion Eier frisch auf, was der Zulieferung von 20 Legebetrieben entspreche, vermittelte der Inhaber einen Eindruck von den Größenordnungen.

An Zahlen und deren Relationen sparte Tress nicht, auch nicht an Anekdoten aus dem Wettbewerb, wenn er etwa ausführte, dass in Deutschland 25 Nudelhersteller vor allem bei drei Großkunden im Einzelhandel unterzukommen versuchten oder dass es einen namhaften Produzenten gebe, dessen Werbebudget mittlerweile den Umsatz mit Teigwaren übersteige. "Bei einigen sind Lebensmittel ein Hobby", querfinanziert aus anderen Industriezweigen, rechnete Tress vor. Und der Druck auf die hersteller nehme noch zu: So sei im vergangenen Jahr die Hartweizen-Ernte in Kanada großteils ausgefallen. Bis die daraus resultierende Preiserhöhung in den Lebensmittelgeschäften ankomme, "das ist in Deutschland ein langwieriger Prozess", sprach Tress aus seiner langjährigen Erfahrung im Familienbetrieb. Sehr deutlich wurde er beim Rückblick auf den Beginn der Corona-Krise, als im Handel Hamsterkäufe und ausbleibender Nachschub aus Italien die Supermarktregale leerten. Damals habe Tress innerhalb weniger Tage eine weitere Produktionslinie hochgefahren, Stammkunden bevorzugt beliefert und dabei die Preise beibehalten - trotz verlockender Anfragen. Ein Umdenken im Handel weg von Preiskampf in Richtung stabiler Lieferbeziehung habe nach dieser Ausnahmesituation jedoch nicht eingesetzt.  Auf die Produktion von Handelsmarken lasse sich Tress deshalb auch nicht ein, allerdings laste das Unternehmen seine Kapazitäten durch Lohnfertigung für ausländische Hersteller aus.

Das Thema Handel griff auch noch einmal Tress-Vertriebsleiter Michael Schoch auf. "Wir haben mittlerweile die eine oder andere Listung bei Discountern geholt" und bei einem der ganz großen Vollsortimenter in Westdeutschland Präsenz über die Strecke aufgebaut", was vorerst den Versand von Kartons über einen Paketdienst bedeute, bis es für ganze Paletten reicht. Das Ziel im Einzelhandelsabsatz sei für den Hersteller aber nicht nur die Menge sondern der Umsatze pro Quadratmeter, weswegen Tress im Frühjahr seinen Außendienst neu ausrichten will. "Überlege, ob Du im Regal fünf ähnliche italienische Spaghetti brauchst, oder ob Großmutters Küche mehr bringt", lautet der Gedanke, den Schoch dem Handel nahe legen möchte.

Ganz eigene Kalkulationen hatte Christoph Koppensteiner bereits in seiner Anmoderation erstellt, indem er die Daten der Aktivitäten bei der Unternehmens- und Familiengründung durch Franz Tress vor rund 50 Jahren in Beziehung stellte. Markus Tress sei in den Nudeltopf gefallen, deduzierte der Club-Vizepräsident. Unter dem Sternbild Bratkartoffel mit Aszendent Serviettenknödel wurde Tress jedenfalls nicht geboren, so wie er über die Kochkurse, regionalen Bio-Dinkel und die exklusive Ware aus der Manufaktur sprach. Die Kunden kauften ihre Nudeln passend zum jeweilgen Gericht über verschiedene Marken hinweg, zum Wochenende auch gerne Premium, wenn Gäste kommen und die Marinara selbstgemacht ist. Zu Festtagen und besonders zu Weichnachten sei dann für Tress die Hauptsaison, wenn die Bratentunke besonders gut mit Spätzle harmoniere. Wer zu diesem Zweck zu Spätzle aus Münsingen greife, bleibe dann auch dabei, stellte Tress die Bedeutung der Saucen- für die Kundenbindung hervor. Für aufwändiges Online-Marketing mit personalisierten Kampagnen sei über den Newsletter hinaus ein großes Budget nicht angemessen. "Die Damen im Werksverkauf stöhnen zwar über die zusätzlichen Pakete, der Webshop macht aber nicht einmal ein Promill des Umsatzes aus."

Als Hausaufgabe gab es für die Besucher schließlich noch ein Probepäckchen mit der "Oma Tress" auf dem Etikett. Wer sich an ihre Kochanweisung hielt und keine Bruddelsuppe als Vorspeise servierte, dürfte bei schwäbischen Versuchspersonen wenigstens ein "Man hat's essen können" erreicht haben.

Hintergrund
Die Erfolgsgeschichte des Familienbetriebs Tress beginnt im Jahr 1969 in Ehestetten auf der Schwäbischen Alb. Mit gerade einmal 19 Jahren trifft Franz Tress die weitreichende Entscheidung Nudelfabrikant zu werden. Sein Ziel: Nudeln herstellen wie selbstgemacht – in Spitzenqualität und nach überlieferter Tradition. Schnell gibt ihm der Erfolg Recht: bereits nach kurzer Zeit sind die Nudeln und Spätzle nicht mehr aus den Regalen wegzudenken. Es folgen in den Siebzigerjahren der Umzug nach Münsingen und der weitere Ausbau des Familienunternehmens. Dabei entwickelt und konstruiert Franz Tress viele Verfahrenstechniken selbst und sorgt für innovative Impulse unter den Nudelherstellern. So sind unter anderem die neuen 500g-Verpackungsgrößen, die maschinelle Herstellung von getropften und geschabten Spätzle sowie die Einführung von Walznudeln am deutschen Markt dem Erfindergeist von Franz Tress zuzuschreiben – allesamt Entwicklungen, die die Teigwarenbranche bis heute prägen.